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Einblick

Schwimmende Labore

Forschungsschiffe sind so vielfältig wie die Meeresforschung. Sie alle haben unterschiedliche Stärken und Einsatzgebiete. Fachlich können sie alles: Biologie genauso wie Geologie, Meteorologie oder Geophysik. Es gibt aber nicht viele solcher Schiffe, entsprechend begehrt ist die Zeit an Bord. 

Das bekannteste deutsche Forschungsschiff ist vermutlich der Eisbrecher POLARSTERN. Die spektakuläre Forschungsmission “MOSAiC”, während der die POLARSTERN ins arktische Meereis gesteuert wurde, dort festfror und mit dem Eis einen Winter lang über den Nordpol driftete, hat sie weltweit bekannt gemacht. Sie ist aber nicht das einzige große deutsche Forschungsschiff. Es gibt auch die SONNE, METEOR, MARIA S. MERIAN, ALKOR, HEINCKE und ELISABETH MANN BORGESE.

Was die deutschen Forschungsschiffe können

Die Ausstattung der Forschungsschiffe ist unterschiedlich und an Größe sowie den vorgesehenen Einsatzgebieten ausgerichtet. Die POLARSTERN verfügt neben der Eisbrecher-Technik zum Beispiel über neun spezialisierte Labore, mobile Labcontainer, die nach Bedarf ausgestattet werden können, Aquarien sowie drei Kühlräume, die Proben mit Temperaturen von −32°C bis +5°C kühlen. Weiterhin stehen 52.620 Meter Drahtseil zur Verfügung, an denen über Winden und Kräne auch sehr große Forschungsgeräte wie Unterwasserroboter (ROV) ins Wasser und die Tiefe der Meere herabgelassen werden. Außerdem ist ein leistungsfähiger Bordrechner fürs Monitoring, Datenregistrierung und -weiterleitung auf dem Schiff. An Bord ist Platz für bis zu 55 Wissenschaftler:innen und 44 Personen der Schiffscrew. 

Die SONNE wiederum ist hauptsächlich auf dem Pazifik oder dem indischen Ozean unterwegs und verfügt über 17 Labore, darunter vier Trocken-, zwei Nass- und zwei Klimalabore. Sie ist damit auf die Bedürfnisse unterschiedlicher Disziplinen wie Meeresgeologie, Geophysik, Biologie, Biogeochemie oder Klimaforschung ausgerichtet und ermöglicht bis zu 40 Wissenschaftler:innen interdisziplinäres Arbeiten auf See. Außerdem sind auch auf der Sonne zahlreiche Winden und Kräne an Bord, die dafür sorgen, dass Großgeräte wie der Tiefseeroboter ROV KIEL 6000 gut ins Wasser kommen und problemlos wieder herausgehoben werden.

Die ALKOR ist als mittelgroßes Forschungsschiff dagegen deutlich kleiner und ist vorallem in der Nord- und Ostsee sowie im Kattegat und Skagerrak unterwegs. Sie bietet Platz für maximal zwölf Wissenschaftlerinnen, verfügt über vier Labore, in denen unter anderem Luft-, Wasser- und Sedimentproben untersucht werden können. Die ALKOR kann bis zu 21 Tage auf See bleiben, unternimmt aber auch Tagesfahrten. Sie steht für Expeditionen mit deutschen und europäischen Forschergruppen zur Verfügung und ist außerdem bei Lehr- und Praktikumsfahrten für Studierende im Einsatz.

Neben den großen und mittelgroßen Forschungsschiffen, gibt es noch eine Reihe kleinerer Schiffe, die oft spezialisierter ausgestattet für küstennahe Forschung zum Einsatz kommen, wie die COROLIS des Hereon oder die CLUPEA des Thünen-Instituts. 

Die COROLIS ist mit einem Tiefgang von nur 1,6 Metern geeignet, auch Flachwasserbereiche in Küstennähe zu befahren. Bis zu zwölf Forschende können unter anderem Kohlenstoffkreisläufe, Nähr- und Schadstofftransporte zwischen den Flüssen und Küsten in Nord- und Ostsee sowie die Auswirkungen von Offshore-Windkraft auf die Umwelt untersuchen. Alle umweltrelevanten Forschungsdaten, die während der Fahrt ermittelt werden, können in Echtzeit abgerufen oder direkt mit anderen Schiffen und Landstationen geteilt werden. Die COROLIS ist die Nachfolgerin der LUDWIG PRANDTL und ist seit Frühjahr 2025 im Einsatz.

Das Fachgebiet der CLUPEA wiederum ist die Fischereiforschung. Auch sie hat einen geringen Tiefgang (2,3 Meter) und kann somit sehr gut in Küstengewässern operieren. Sie ist hauptsächlich in der südwestlichen Ostsee unterwegs, gelegentlich auch in der Nordsee. Ausgestattet mit zwei Laboren sowie verschiedenen Netzen, etwa Schwimm- und Bodenschleppnetzen, Stellnetzen und Planktonnetzen, bietet sie Platz für vier Wissenschaftler:innen. 

Erneuerung der Forschungsflotte

Das Bundesforschungsministerium erneuert die deutsche Forschungsflotte schrittweise durch den Neubau von großen und mittelgroßen Schiffen. Im Jahr 2014 wurde das Forschungsschiff SONNE als erster der drei Neubauten in Dienst gestellt. 

Mehr über die neue Sonne

Aktuell wird das Nachfolgeschiff der METEOR gebaut, die METEOR IV, das gleichzeitig auch die bereits außer Dienst gestellte POSEIDON ersetzt. Die Planung sieht vor, dass die METEOR IV im Jahr 2026 an die Wissenschaft übergeben wird. 

Zum Bautagebuch der METEOR IV

Zudem hat der Bau des neuen Forschungseisbrechers POLARSTERN begonnen. Die Übergabe ist für das Jahr 2030 geplant.

Mehr zur neuen Polarstern

Auch weitere Forschungsschiffe werden oder wurden in den vergangenen Jahren durch Neubauten abgelöst. So ersetzt die COROLIS des Hereon seit Anfang 2025 die LUDWIG PRANDTL, die Fischereiforschungsinstitute des Thünen-Instituts können voraussichtlich ab 2027 einen Ersatzbau des Forschungsschiffs WALTHER HERWIG nutzen und die Senckenberg Gesellschaft arbeitet am Konzept für einen Neubau des Küstenforschungsschiffes SENCKENBERG

Expeditionslogistik und -planung

Die Planung einer wissenschaftlichen Expedition auf einem Forschungsschiff gleicht einem Puzzle aus unzähligen Einzelteilen. Schon Monate, teilweise Jahre vor dem Auslaufen, beginnen Wissenschaftler:innen, Reedereien und Logistikteams mit den Vorbereitungen. Denn an Bord gibt es keinen Nachschub: Alles, von hochsensiblen Messgeräten bis zu simplen Schrauben, muss mit aufs Schiff und seegerecht verstaut werden. Hinzu kommen Forschungsgeräte, Probenbehälter, Laborausstattung und Computertechnik, die oftmals im Vorfeld der Fahrt für den Betrieb im rauen Ozeaneklima extra angepasst werden müssen. 

Dann muss alles rechtzeitig am Hafen sein und auf das Schiff geladen werden. Gleichzeitig darf es nicht zuviel sein, damit Platz und Lastkapazität ausreichen. Ebenso entscheidend ist die Routenplanung. Sie hängt nicht nur von den wissenschaftlichen Fragestellungen ab, sondern auch von Genehmigungen anderer Staaten, saisonalen Wetterlagen und der Verfügbarkeit des Schiffs. Auch die Crew spielt eine zentrale Rolle: Neben Kapitän:in und Nautiker:innen sind Ingenieur:innen, Köch:innen und Techniker:innen unabdingbar. 

Doch die Logistik endet nicht mit dem Ablegen. Während der Fahrt muss der Bordbetrieb reibungslos funktionieren: Stromversorgung, Kühlung der Proben, Datensicherung. Ein Ausfall kann Wochen an Arbeit zunichtemachen. Hinzu kommt die Koordination mit Landstationen. Oft werden beispielsweise Hafenstopps eingeplant, um Proben zwischenzulagern oder neue Wissenschaftler:innen an Bord zu holen. Jede Expedition ist ein Balanceakt zwischen den Anliegen der Wissenschaft und der logistischen Realität.

Die Koordination der Schiffe

Die Organisation der Fahrtpläne der großen und mittelgroßen Forschungsschiffe erfolgt in mehreren Schritten durch unterschiedliche Einrichtungen. Eine Übersicht über die beteiligten Institutionen und ihre Aufgaben.

  • Portal deutsche Forschungsschiffe: Zuständig für die Schiffszeit der großen und mittelgroßen Schiffe. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können dort Fahrtvorschläge einreichen. Aktuelle Fahrpläne der Forschungsschiffe können auf der Website eingesehen werden. Zum Portal deutsche Forschungsschiffe
  • Gutachterpanel Forschungsschiffe (GPF): Zuständig für die Vergabe der Schiffszeit auf den großen und mittelgroßen Forschungsschiffen. Das Gremium begutachtet wissenschaftliche Fahrtvorschläge nach einheitlichen Kriterien. Eingesetzt ist das GPF ist durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und das Bundesforschungsministerium. Positiv begutachtete Fahrtvorschläge werden durch das GPF für die Aufnahme in die Fahrtplanung empfohlen.
  • Schiffsbetreiber: Die Einsatzplanung bewilligter Fahrtvorschläge erfolgt durch die Schiffsbetreiber. Eine Übersicht der jeweiligen Schiffe und Betreiber steht am Ende dieses Textes. Zur Übersicht "Die deutschen Forschungsschiffe”.
  • Leitstelle Deutsche Forschungsschiffe (LDF):  Die LDF betreibt die SONNE, die METEOR und die MARIA S. MERIAN im Auftrag der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) und dem Bundesforschungsministerium. Zur Leitstelle Deutsche Forschungsschiffe

Bei regionalen und lokalen Forschungsschiffen erfolgt die Vergabe der Schiffszeit komplett durch die jeweiligen Betreiber. Das GPF ist hier nicht involviert. Eine Übersicht der jeweiligen Schiffe und Betreiber steht am Ende dieses Textes. Zur Übersicht "Die deutschen Forschungsschiffe”.

Leben und Forschen an Bord

Für die meisten Meeresforschenden ist es ein seltenes Highlight, an einer Expedition auf einem Forschungsschiff teilzunehmen. Die Plätze auf den Schiffen sind klar begrenzt und Ausfahrten können mehrere Wochen dauern. Durch den wenigen Platz an Bord kann auch nur eine bestimmte Anzahl an Forschungsgeräten mitgenommen werden. Das heißt, Schiffszeit (so der Begriff für einen Forschungsaufenthalt an Bord) ist knapp und die Planung langwierig, sie kann von dem ersten Antrag bis Fahrtantritt bei den großen Forschungsschiffen bis zu zwei Jahre dauern. 

Die Zeit an Bord ist dann eine Mischung aus wissenschaftlicher Arbeit im Schichtbetrieb und der Unterstützung von anderen Forschenden oder der Crew im Bordalltag. Enge und Routinen prägen den Tag – so ist die Zeit auf dem Schiff sehr spannend aber auch anstrengend. Probenahmen, Messungen, Geräteausbringungen von Planktonnetzen bis Unterwasserroboter (ROV) laufen durchgehend – weitgehend unabhängig von Tageszeit und Wetter. Freizeit gibt es kaum, aber viele Forschende berichten positiv von der besonderen Gemeinschaftserfahrung, wenn alle buchstäblich im gleichen Boot sitzen. Oder von magischen Momenten, wenn ein ROV aus der Tiefsee wieder auftaucht, mit kostbarer Probenfracht an Bord. 

Wie in der Schifffahrt üblich, existiert auch auf Forschungsschiffen ein Logbuch des Kapitäns, in dem Daten wie Wetter, Schiffsposition oder Geschwindigkeit festgehalten sind. Außerdem verfassen die wissenschaftlichen Fahrtleiter:innen einen Fahrtbericht, der die an Bord durchgeführten Arbeiten sowie die gewonnenen Daten und Proben dokumentiert. Üblich ist es zudem, dass mitfahrende Wissenschaftler:innen und/oder die Fahrtleitung Wochenberichte schreiben, in denen der Fortschritt der Expedition, besondere Ereignisse und erste Beobachtungen festgehalten werden. Sie dienen vor allem der Kommunikation nach außen, etwa für Websites oder die Pressearbeit. Zu einigen Ausfahrten gibt es auch eigene Blogs, in denen verschiedene Menschen an Bord über das Leben und Arbeiten auf dem Schiff berichten. Die verschiedenen Berichte zu den Expeditionen sind direkt auf den Websites der jeweiligen Schiffe veröffentlicht.

Geschichte der deutschen Forschungsschiffe

Im 19 Jahrhundert gab es erste Ausfahrten mit Schiffen um die Meere zu erforschen. 1872 gilt als Beginn der regelmäßigen institutionalisierten Forschungsschifffahrt. Die britische CHALLENGER unternahm eine Weltreise mit Laboren und wissenschaftlichem Personal und lieferte grundlegende Erkenntnisse über Ozeane und Meeresboden. Mit einer zweijährigen Forschungsreise der S.M.S. GAZELLE stieg auch das Deutsche Reich 1874 in die Forschungsschifffahrt ein. Einen Durchbruch in der wissenschaftlichen Forschung mit und auf Schiffen markierte 1912 die Erfindung des Echolots. Es erlaubte erstmals eine akustische Vermessung des Meeresbodens. 

Von großer historischer Bedeutung ist die Deutsche Atlantische Expedition von 1925 bis 1927. Die METEOR I kartierte mit Echolot und Messungen von Wasserproben den Atlantik zwischen Europa und Antarktis. Die Forschungsfahrt markierte den Beginn systematischer Untersuchungen ganzer Meeresgebiete und symbolisiert den Übergang von der beschreibenden zur physikalischen Meereskunde. 

Nach 1945 bauten beide deutsche Staaten eigene Flotten auf. In der Bundesrepublik mit Schiffen wie METEOR II, WALTER HERWIG und PLANET II, in der DDR mit Schiffen wie ERNST HAECKEL und EISBÄR. Der wachsende Bedarf an Rohstoffen und die Neugier von Meeresforschenden, mehr über die Ozeane zu erfahren, trieben diesen Ausbau voran. Mit der Wiedervereinigung wurde die Flotte reduziert und neu geordnet. Heute verfügt Deutschland über eine der leistungsfähigsten Forschungsschiffsflotten der Welt.

Mehr zur Geschiche auf der Website des BSH

Meilensteine der Meeresforschung

Übersicht über die deutschen Forschungsschiffe

Schiff Max. Anzahl Wissenschaftler:innen Einsatzgebiete Heimathafen und Betreiber/Nutzer
ALKOR 12 Personen Nord- und Ostsee Kiel, GEOMAR
ATAIR 15 Personen Nord- und Ostsee Hamburg, BSH
CAPELLA (Vermessungsschiff) 2 Personen Nord- und Ostsee Rostock, BSH
CLUPEA 4 Personen Ostsee Rostock, Thünen-Institut
COROLIS 12 Personen Nord- und Ostsee noch offen, Helmholtz-Zentrum Hereon
DENEB 7 Personen Nord- und Ostsee Rostock, BSH
ELISABETH MANN BORGESE 12 Personen Ostsee Warnemünde, Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW)
HEINCKE 12 Personen Nordsee und Nordatlantik Helgoland, Alfred-Wegener-Institut (AWI)
KOMET (Vermessungsschiff) 15 Personen Nordsee Hamburg, BSH
LIMANDA 12 Personen Ostsee Rostock, Universität Rostock
LITTORINA 12 Personen Ostsee, Nordsee und Elbe-Weser-Mündung Kiel, GEOMAR
MARIA S. MERIAN 22 Personen Subpolares Nordmeer (Eisrand), Nordatlantik, Mittelmeer Rostock, Leitstelle Deutsche Forschungsschiffe
METEOR III (bis 2026) 28 Personen Atlantik, Ostpazifik, Westindik, Mittelmeer und Ostsee Hamburg, Leitstelle Deutsche Forschungsschiffe
METEOR IV (ab 2026) 35 Personen Atlantik Kiel, GEOMAR
MYA II 12 Personen Nordsee List (Sylt), Alfred-Wegener-Institut (AWI)
POLARSTERN 55 Personen Nord- und Südpolarmeer Bremerhaven, Alfred-Wegener-Institut (AWI)
SENCKENBERG 5 Personen Nordsee, Wattenmeer Wilhelmshaven, Senckenberg-Gesellschaft
SOLEA 7 Personen Nord- und Ostsee Cuxhaven, Thünen-Institut
SONNE 40 Personen Indik, Pazifik Wilhelmshaven, Leitstelle Deutsche Forschungsschiffe, Universität Hamburg
UTHÖRN 25 Personen Nordsee Helgoland, Alfred-Wegener-Institut (AWI)
WALTHER HERWIG III 12 Personen Ostsee, Nordsee, Nordatlantik Bremerhaven, Thünen-Institut
WEGA 7 Personen Nord- und Ostsee Hamburg, BSH

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