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Fokus

Plastikmüll im Meer

Egal, wo Menschen in den Meeren und Ozeanen nachschauen: Plastik ist schon da. Kunststoffabfälle im Meer sind ein globales Problem mit immensen Ausmaßen, das dringend gelöst werden muss. Auf UN-Ebene gibt es Bewegung hin zu einem globalen Plastikabkommen. 

1. Die Geschichte des Plastiks

Vom "Material der 1.000 Anwendungen” zum Abfallprodukt, die Geschichte des Plastiks ist eine Reise durch Innovation, Wandel und wachsende Herausforderungen. Die ersten teilweise oder ausschließlich aus künstlichen Rohstoffen bestehenden Produkte wurden bereits im 19. Jahrhundert entwickelt. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts werden Kunststoffe kommerziell produziert. Angetrieben durch den Mangel an natürlichen Materialien während des Zweiten Weltkrieges, stieg der Bedarf an Alternativen aus Kunststoff rasant an. Weil diese günstig herzustellen und vielfältig einsetzbar waren, verdrängten sie bald Produkte aus Holz, Metall, Baumwolle, Elfenbein oder Glas.

Im alltäglichen Sprachgebrauch werden Kunststoffe oft als Plastik bezeichnet. Dieses Wort stammt aus dem Griechischen plastikós und bedeutet formbar.

Zur Mitte des 20. Jahrhunderts wurden weltweit jährlich etwa zwei Millionen Tonnen Kunststoffe hergestellt. Seitdem ist die Produktion exponentiell gestiegen. Mehr als die Hälfte der sich global im Umlauf befindlichen Kunststoffe wurde seit der Jahrtausendwende produziert. Seit Beginn der industriellen Massenproduktion um 1950 wurden weltweit bis 2017 etwa 9,2 Milliarden Tonnen Plastik hergestellt.(1)

Hält der Produktionstrend weiter an, könnten sich die Herstellungsmengen laut wissenschaftlicher Prognosen innerhalb eines halben Jahrhunderts mehr als verfünffachen: von rund 200 Millionen Tonnen im Jahr 2000 auf 1.000 Millionen Tonnen im Jahr 2050.(2) 

Von den bis 2017 produzierten rund 9,2 Milliarden Tonnen „Material der 1.000 Anwendungen“ wurde der Großteil jedoch unsachgemäß weggeworfen oder auf andere Weise entsorgt – nur etwa 2,9 Milliarden Tonnen sind noch in Gebrauch.

Das liegt daran, dass Verpackungsmaterialien, also Einweg- und Wegwerfprodukte, über 40 Prozent der globalen Herstellungsmenge ausmachen. In der Elektroindustrie, im Transport- und Verkehrswesen sowie im Bausektor werden Kunststoffprodukte zwar über längere Zeiträume verwendet, allerdings nutzen diese Wirtschaftszweige nur ein Drittel der jährlichen Produktionsmenge.(3)

Je mehr Einweg- und Wegwerfprodukte erzeugt werden, desto mehr Kunststoffmüll fällt an und birgt das Risiko, die Umwelt zu verschmutzen. Denn global werden lediglich neun Prozent der hergestellten Kunststoffe recycelt. Rund 22 Prozent werden unsachgemäß entsorgt, 49 Prozent lagern auf Mülldeponien und rund 19 Prozent werden verbrannt.(4) 

Erklären lassen sich diese Zahlen mit der Kunststoff-Nutzung von Wirtschaft und Gesellschaft: neues Plastik aus fossilen Komponenten herzustellen ist billiger, als Mehrweg-Produkte zu sammeln, zu reinigen und wieder aufzubereiten und abermals zu verwenden. Die bei der Kunststoffproduktion verwendeten Chemikalien, wie Flammschutzmittel, Weichmacher, Füllstoffe oder Farbstoffe erschweren zusätzlich den Recycling-Prozess. In der Regel können nur Produkte eines Polymertyps effektiv wiederverwertet werden. Die hierin enthaltenen Zusatzstoffe sind dabei für die Qualität des recycelten Produkts von zentraler Bedeutung. Ihre Vielfalt führt in den meisten Fällen zum „Downcycling“.

Kunststoffe — so vielfältig wie ihre Bestandteile

Kunststoffe bestehen hauptsächlich aus synthetisch hergestellten organischen Polymeren. Der Aufbau von Polymeren ähnelt einer Perlenkette, bei der jede Perle ein kleines, sich wiederholendes Molekül darstellt, ein sogenanntes Monomer. 

Obwohl Polymere und Polymermischungen die Hauptbestandteile von Kunststoffen sind, bestehen die kommerziellen Endprodukte noch aus vielen weiteren chemischen Zusatzstoffen. Über 16.000 verschiedene registrierte chemische Stoffe, sogenannte Additive, werden in der Kunststoffproduktion für vielfältige Zwecke eingesetzt, dazu zählen beispielsweise Farb- und Füllstoffe, Flammschutzmittel oder Weichmacher.(5)

Dank dieser Zutaten-Vielzahl gibt es Kunststoffprodukte in ganz unterschiedlichen Formen, Farben und Größen und mit verschiedensten Eigenschaften. Diese Vielfältigkeit hat allerdings auch Nachteile: Nur Kunststoffe eines Polymertyps können problemlos wiederverwertet werden. Viele Produkte wie Co-Polymere und Verbundkunststoffe lassen sich nicht gewinnbringend recyceln. 

Weiterhin werden bei der Kunststoffproduktion auch Additive eingesetzt, die nachweislich oder möglicherweise giftig sind. Die Europäische Union stuft etwa ein Viertel der in der Kunststoffproduktion verwendeten chemischen Stoffe als potenziell bedenklich ein.

Die Vielzahl an Zusatzstoffen hat noch einen weiteren Nachteil: von den über 16.000 verschiedenen Chemikalien können mehr als 4.000 eine schädliche Wirkung haben, von den allermeisten ist die Wirkung noch unbekannt.(5) Darüber hinaus können auch unbekannte Komponenten durch unbeabsichtigte Reaktionen während der Produktion entstehen (so genannte non-intentionally added substances, kurz NIAS). Die Diversität in der chemischen Zusammensetzung von Kunststoffprodukten stellt derzeit eine wichtige Hürde für eine erfolgreiche Kreislaufwirtschaft dar. Das hat einen direkten Einfluss auf unsere Umwelt. Rund elf Prozent des verursachten Plastikmülls verschmutzen weltweit die Gewässer.(6) 

1. McGlade, J., Samy Fahim, I., Green, D., Landrigan, P., Andrady, A., Costa, M., Geyer, R., Gomes, R., Tan Shau Hwai, A., Jambeck, J., Li, D., Rochman, C., Ryan, P., Thiel, M., Thompson, R., Townsend, K., & Turra, A. (2021). From Pollution to Solution: A global assessment of marine litter and plastic pollution. www.unep.org/resources/pollution-solution-global-assessment-marine-litter-and-plastic-pollution

2. Geyer, R. (2020). Chapter 2—Production, use, and fate of synthetic polymers. In T. M. Letcher (Hrsg.), Plastic Waste and Recycling (S. 13–32). Academic Press. doi.org/10.1016/B978-0-12-817880-5.00002-5

3. Plastics Europe. (2022). Plastics – the Facts 2022. plasticseurope.org/knowledge-hub/plastics-the-facts-2022/

4. Plastic pollution is growing relentlessly as waste management and recycling fall short, says OECD. (2022, Februar 22). www.oecd.org/en/about/news/press-releases/2022/02/plastic-pollution-is-growing-relentlessly-as-waste-management-and-recycling-fall-short.html

5. Wagner, M., Monclús, L., Arp, H. P. H., Groh, K. J., Løseth, M. E., Muncke, J., Wang, Z., Wolf, R., & Zimmermann, L. (2024). State of the science on plastic chemicals—Identifying and addressing chemicals and polymers of concern. Zenodo. doi.org/10.5281/ZENODO.10701706

6. Andrady, A. L. (Hrsg.). (2022). Plastics and the ocean: Origin, characterization, fate, and impacts. Wiley.

2. Wie kommt das Plastik ins Meer?

Plastik macht einen Großteil des Mülls in den Meeren aus, rund drei Viertel des Abfalls besteht aus Kunststoffen. Plastik wird nicht auf natürlichem Wege zersetzt wie andere Materialien. Seine Haltbarkeit ist während der Nutzungsphase durchaus erwünscht - aber danach wird sie zum Fluch. Denn Plastik verschwindet nicht. Auch nicht im Meer (siehe Abschnitt 3 des Textes).

Ins Meer kommt das Plastik dabei auf verschiedenen Wegen. Der Großteil des Plastikmülls in den Ozeanen hat seinen Ursprung an Land. Dies liegt vor allem daran, dass in vielen Staaten passende und zuverlässige Systeme zur Abfallentsorgung fehlen. Wo solche Strukturen nicht vorhanden sind, greifen Menschen oft zu improvisierten Lösungen wie wilden Müllkippen, der (teilweisen) Verbrennung von Abfällen oder der unkontrollierten Entsorgung in die Natur. Über die Flüsse wird das Plastik auch aus küstenfernen Regionen dann ins Meer getragen. Riesige Mengen transportieren zum Beispiel große Ströme wie der Jangtse, der Indus oder der Nil. Auch nach Naturkatastrophen wie Tsunamis oder Sturmfluten gelangt viel Plastik ins Meer. Und nicht nur dass: Auch nach sehr starken Regenfällen werden vor allem aus Städten Unmengen an Schmutz, darunter viel Plastik und Mikroplastik, in die Flüsse und darüber schließlich in die Meere gespült.(1)

Häufige Quellen von Plastikmüll sind:

  • Illegale, wilde Mülldeponien
  • Reifenabrieb aus dem Straßenverkehr (Mikroplastik)
  • Kläranlagen, da Mikroplastik aus Kosmetika und Kleidung nicht vollständig aus dem Abwasser der Haushalte herausgefiltert werden können (Mikroplastik)
  • Die Schifffahrt. Zum Beispiel durch verlorene Ladung von Frachtern und Containerschiffen, durch den Abrieb von Schiffsanstrichen (Mikroplastik) oder durch illegale Müllentsorgung auf hoher See
  • Fischerei durch verlorene oder absichtlich auf See entsorgte Netze und Angelleinen
  • Landwirtschaft durch Abdeckfolien auf Feldern
  • Die Kunststoffindustrie durch den Verlust von Plastikpellets noch bevor sie zu Plastikprodukten weiterverarbeitet werden. 

Wie viel Plastikmüll jedes Jahr neu hinzukommt, kann nur grob geschätzt werden. Zu unterschiedlich sind die Wege und Zeitspannen, innerhalb derer Kunststoffe vom Hinterland an die Küste verfrachtet werden und schließlich ins Meer gelangen. In dynamischen Küstenumgebungen, die von Gezeiten oder saisonalen Wetterphänomenen geprägt sind, kann die Menge an Kunstoffen in der Meeresumwelt innerhalb kürzester Zeiträume sehr stark schwanken. Zudem wird ein Teil des küstennahen Plastikmülls durch die Gezeiten und wechselnde Windrichtungen hin- und her transportiert. Dies erschwert die exakte Mengeneinschätzung. Auch der Anteil an Plastikmüll, den Menschen absichtlich oder versehentlich im Meer entsorgen, lässt sich allenfalls grob berechnen.

Die Menge an Plastikmüll in den Ozeanen steigt kontinuierlich

Angaben zum Ausmaß der Plastikflut in den Meeren beruhen deshalb auf Hochrechnungen und Modellierungen. Demnach gelangen innerhalb eines Jahres zwischen 4,8 und 12,7 Millionen Plastikabfall in die Ozeane. Zum Vergleich: Nimmt man den Mittelwert (8,75 Millionen Tonnen) entspricht das ungefähr einer LKW-Ladung Plastik pro Minute. Diese Zahlen stammen allerdings aus dem Jahr 2010 und das Forscherteam ging von steigenden Werten aus. Um zukünftig klare Mengenangaben treffen zu können, muss das Management und das Monitoring des gesamten Kunststofflebenszyklus – also von der Rohstoffförderung bis zur Entsorgung oder Wiederverwertung - auf kommunaler, nationaler und internationaler Ebene verbessert werden.(2,3,4)

Fest steht: Die Plastik-Verschmutzung der Ozeane steigt unentwegt an. Man geht inzwischen davon aus, dass wir die planetare Belastungsgrenze für neue Substanzen im Bereich Chemikalien und Plastik bereits überschritten haben und dass wir Menschen uns außerhalb eines sicheren Rahmens bewegen.(5)

(1) https://www.geomar.de/entdecken/plastikmuell-im-meer#c50624 

(2) Jambeck et al. (2015). Plastic waste inputs from land into the ocean. https://www.science.org/doi/10.1126/science.1260352.

(3) Borrelle et al. (2020). Predicted growth in plastic waste exceeds efforts to mitigate plastic pollution. https://www.science.org/doi/10.1126/

(4) Edelson et al. (2021). Uncertainties in global estimates of plastic waste highlight the need for monitoring frameworks. https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0025326X21007542#bb0055.

(5) Richardson et al. 2023, SciAdvance, Earth beyond six of nine planetary boundaries. DOI: 10.1126/sciadv.adh2458

3. Wie sich das Plastik in den Meeren verteilt

Egal, wo Menschen in den Meeren und Ozeanen nachschauen: Plastik ist schon da. In allen bisher untersuchten marinen Lebensräumen befindet sich Kunststoffmüll. Viele Plastikteile treiben an der Meeresoberfläche, andere sinken in darunter liegende Wassermassen und erreichen irgendwann den Meeresboden. Sogar an der tiefsten Stelle des Meeres, dem knapp 11.000 Meter tiefen Marianengraben, wurden Kunststoffteile gefunden. Auch bis in die unbewohnten Küstengebiete und abgelegenen Meeresregionen der Arktis und Antarktis ist Plastikmüll vorgedrungen. 

Insgesamt ist das Plastik in den Weltmeeren sehr ungleich verteilt. In einigen Gegenden kommt es nur vereinzelt vor, in anderen massenhaft. So fangen die Zirkulationsströmungen der Ozeane treibenden Müll in den fünf großen subtropischen Wirbeln ein. Das führt zu einer starken Anhäufung, auch bekannt als ‚Garbage Patches‘ (Müllstrudel). Die Menge, Zusammensetzung und Herkunft des Mülls variiert dabei stark je nach Meeresgebiet und Lebensraum. Der Great Pacific Garbage Patch beispielsweise ist etwa dreimal Mal so groß wie Frankreich.(1) Doch es kommt neben den Müllstrudeln auch zu kaum sichtbaren Ansammlungen: in einem entlegenen Meeresschutzgebiet im Pazifischen Ozean haben Forschende ebenso große Mengen Plastikmüll und Mikroplastik nachgewiesen wie im Great Pacific Garbage Patch.(2)

Kunststoffmüll in Nord- und Ostsee

Der Abfall, der an den Küsten von Nord- und Ostsee angespült wird, besteht bis zu 88 Prozent aus Plastik. Auch am Meeresboden der beiden deutschen Hausmeere ist Kunststoff der am häufigsten gefundene Müll. Der Meeresboden der Nordsee ist dabei deutlich stärker belastet als der Boden der Ostsee. Während in der Nordsee im Mittel 66,4 Kunststoffteile pro Quadratkilometer aufgefunden wurden, war die Verschmutzung am Boden der Ostsee mit durchschnittlich 5,7 Kunststoffteilen pro Quadratkilometer wesentlich geringer.(3)

Leinen und Netze aus der Fischerei, synthetische Seile, Folien und Tüten machen den größten Teil des gefundenen Plastikmülls aus. Sie stammen aus verschiedenen Quellen, etwa einerseits Schifffahrt und Fischerei aber andererseits auch Tourismus und Freizeitaktivitäten an Land und auf dem Meer. Mikroplastik wiederum wird größtenteils durch Flüsse in die Nord- und Ostsee gespült, wo es je nach Windrichtung und Wasserströmungen verteilt wird. 

Ein bislang noch schwer einzuschätzender Anteil an Mikroplastik im Meer ist auf den wachsenden Schiffsverkehr zurückzuführen. Schutzanstriche sollen Korrosion durch das Salzwasser und den Bewuchs Pocken oder Muscheln mindern oder verhindern. Während der Fahrt werden die Schiffsanstriche allerdings peu à peu angerieben. Das ist gewollt, weil die Oberfläche dadurch glatt bleibt und Bewuchs keine Chance hat. Gleichzeitig gelangen so Schadstoffe und Plastikpartikel ins Meer.(4) 

Wie schnell Kunststoffmüll von der Küste bzw. dem Eintragsort auf das Meer hinausgetrieben wird und auf welche Weise er sich dort verteilt, hängt vom Zusammenwirken unterschiedlicher Faktoren ab. Wichtigen Einfluss haben einerseits die Eigenschaften des Kunststoffs wie Dichte, Größe und Form. Andererseits spielen die vorherrschenden Umweltbedingungen wie Meeresströmungen, Wind, Sonneneinstrahlung und Temperatur eine große Rolle bei der Verteilung. Aber auch die biologischen Lebensgemeinschaften aus Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen beeinflussen das Schicksal des Plastikmülls im Meer. 

Plastik verrottet nicht - es wird nur immer kleiner

Grundsätzlich ist es so: Plastik ist dafür gemacht, dass es nicht kaputt geht. Die starke Haltbarkeit ist während der Nutzungsphase - auch wenn diese im Fall von Verpackungen kurz ist - gewollt und erwünscht. Danach wird sie allerdings zum Fluch, denn Plastik verrottet nicht. Es behält aber auch nicht seine ursprüngliche Form. Mit der Zeit wird das Plastik immer kleiner. Das liegt nicht an einem Abbau der Kunststoffe, sondern vielmehr an ihrer Zersetzung oder besser: Fragmentierung. Das heißt, dass größere Kunststoffteile wie Plastiktüten, Fischernetze oder Verpackungen durch UV-Strahlen, Reibung oder den Salzgehalt im Wasser in immer kleinere Teile zerfallen. 

Irgendwann sind diese Teile so klein, dass sie weniger als ein Millimeter groß sind und als Mikroplastik eingestuft werden. Damit ist der Prozess aber nicht beendet - auch dann werden die Teile immer kleiner. Und immer mehr. Denn die einzelnen Teile verschwinden ja nicht. Sie bleiben. Mit fortschreitender Fragmentierung im Meer kann ein einzelnes Kunststoffteil von einem Zentimeter Größe theoretisch in eine Billiarde (1.000.000.000.000.000) kleinerer Teilchen in Nanometergröße zerfallen. 

Mit der abnehmenden Größe der Plastikteilchen entsteht ein höheres Potenzial, dass sie in Kontakt mit der Meeresumwelt kommen. Der Grund: Es sammeln sich immer mehr kleinere Kunststofffragmente in den marinen Ökosystemen an. So kann eine größere Anzahl an Organismen mit diesen Partikeln in Berührung kommen und sie aufnehmen, da sie an Algen haften, im Wasser enthalten sind oder bereits in kleineren Meereslebewesen stecken, die von größeren gefressen werden. Mikroplastik-Partikel können von viel mehr Arten aufgenommen werden, als größere Plastikprodukte: Vom kleinen Zooplankton-Krebs bis hin zum Riesenhai. Viele dieser Lebewesen stehen an der Basis des Nahrungsnetzes. So gelangt der Kunststoff möglicherweise auch über verschiedene Ebenen bis an die Spitze der Nahrungskette und auf unseren Teller. 

Online Portal für Müll im Meer

Die Forschung zu den riesigen Herausforderungen durch Plastik im Meer ist sehr vielfältig. Einen Überblick über Forschungsergebnisse bietet das Online-Portal LITTERBASE des Alfred Wegener Instituts.(5) LITTERBASE fasst die Ergebnisse aus über 3.000 wissenschaftlichen Studien in globalen Karten und Infografiken anschaulich zusammen und macht Wissen zu Müll in den Meeren verständlich zugänglich – auch für Laien. Zum Beispiel gibt es eine Verteilungskarte zu Meeresmüll.

Zu Litterbase

(1) Lebreton, L., Slat, B., Ferrari, F. et al. Evidence that the Great Pacific Garbage Patch is rapidly accumulating plastic. Sci Rep 8, 4666 (2018). https://doi.org/10.1038/s41598-018-22939-w 

 (2) Robby Rynek, Mine B. Tekman, Christoph Rummel, Melanie Bergmann, Stephan Wagner, Annika Jahnke and Thorsten Reemtsma: Hotspots of Floating Plastic Particles across the North Pacific Ocean. Environmental Science & Technology. https://doi.org/10.1021/acs.est.3c05039

 (3) https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn063827.pdf 

(4) Dibke, Ch. et al., 2021, „Microplastic Mass Concentrations and Distribution in German Bight Waters by Pyrolysis–Gas Chromatography–Mass Spectrometry/Thermochemolysis Reveal Potential Impact of Marine Coatings: Do Ships Leave Skid Marks?“, Environmental Science & Technology, Vol. 55, Issue 4. https://doi.org/10.1021/acs.est.0c04522

(5) https://litterbase.awi.de/

Factsheet zu Meeresmüll: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/2546/dokumente/uba_factsheet_meeresmuell.pdf 

4. Folgen für die Meeresumwelt

Erste Berichte über das Aufeinandertreffen von Meeresfischen mit Kunststoffmüll liegen fast 100 Jahre zurück: Bereits in den 1920er Jahren beobachteten Forschende Makrelen und andere Fische, in deren Körpern Gummibänder eingewachsen waren.(1) Seitdem sammeln Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ständig neue Belege für den Kontakt von Meereslebewesen mit Kunststoffteilen. 

Wenn marine Tiere und Pflanzen mit Kunststoffmüll in Berührung kommen und wechselseitig aufeinander einwirken, wird dieser Prozess als Interaktion bezeichnet. Mittlerweile wurde bei mehr als 2700 verschiedenen marinen Arten eine Interaktion mit Kunststoffteilen nachgewiesen. Fische und Krebstiere gehören dabei zu den am häufigsten untersuchten Organismengruppen. Es kommen jedoch Meereslebewesen aller Größen und taxonomischer Stufen, vom Einzeller hin zum marinen Säugetier, mit Plastik in Kontakt. 

Die Auswirkungen können sehr unterschiedlich ausfallen, sind jedoch meistens zum Nachteil der Meereslebewesen. Bei fast 90 Prozent aller untersuchten Arten hatte die Interaktion mit Kunststoff negative Folgen für den Organismus.(2)

Mögliche Formen des Kontakts mit Plastik:

  • Verzehr - Das Plastik wird mit Beute verwechselt und gefressen. Oder die Beute hat Plastik im Magen. Größere Plastikteile können den Darm verletzen oder verstopfen. Teilweise verbleibt Plastik im Magen und führt zu einem falschen Sättigungsgefühl. Das kann dazu führen, dass das Tier zu wenig frisst und entsprechend nicht mehr wächst, sich fortpflanzt und im Extremfall an den Folgen stirbt. Auch die Aufnahme von Mikroplastik kann zum Beispiel zu verringertem Wachstum und Fortpflanzung führen. Außerdem kann es giftig auf den Stoffwechsel und das Nervensystem wirken.
  • Besiedelung – Jedes im Meer treibende Material wird von Mikroben, Algen undTieren besiedelt. Das gilt auch für Plastik. Plastik kommt zu den natürlichen Treibmaterialien wie Holz dazu und da es so haltbar ist und lange im Meer treibt, kann so die Ausbreitung von Arten über ihr normales geografisches Verbreitungsgebiet hinaus gefördert werden. Gebietsfremde Arten können wiederum funktionierende marine Ökosysteme stören und bedrohen.
  • Verstrickung – Meereslebewesen verheddern sich immer wieder in alten Fischernetzen, Luftballonschnüren oder langen Plastiktüten. Das Plastik legt sich um ihren Körper und sie kommen nicht mehr frei oder verletzen sich. Wenn Fische oder wirbellose Tiere zu lange verstrickt bleiben, verhungern sie oder werden gefressen. Meeressäuger wiederum können ersticken, da sie nicht mehr oder nicht schnell genug an die Oberfläche kommen, um zu atmen.
  • Abdeckung – Plastiktüten oder -planen können sich beispielsweise auf den Meeresboden legen oder über Pflanzen und Tiere stülpen. Je länger ein Plastikteil eine bestimmte Fläche abdeckt, desto mehr kommt es zu einem Sauerstoffmangel unter oder in dem Kunststoff, der bis zum Absterben der betroffenen Organismen oder Pflanzen(teile) führen kann.

  • Andere Wechselwirkungen – Hierunter fällt zum Beispiel, dass Vögel oder andere Tiere Plastikteile zum Nestbau verwenden. Auch dass Tiere in Plastikbehälter geraten und nicht mehr herauskommen oder dass bodenlebende Tierchen Plastikteile weiter in den Meeresboden wühlen, gehört dazu. Außerdem wird hier die Fragmentierung durch Meerestiere von Plastik in kleinere Teile erfasst. 

Wie Kunststoff auf ein Lebewesen wirkt, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Die Art der Interaktion bestimmt dabei maßgeblich die möglichen Folgen für den Organismus. Darüber hinaus spielen das Größenverhältnis zwischen Lebewesen und Kunststoffteil, sowie dessen Form und Flexibilität eine Rolle. Auch die Dauer der Interaktion sowie die Kunststoffmenge ist von Bedeutung. 

Mögliche Auswirkungen auf den Organismus werden durch Art und Eigenschaften der chemischen Bestandteile des Kunststoffs, enthaltene Zusätze wie Weichmacher, Schadstoffe aber auch die während der Zeit im Meer entstandenen biologischen Besiedlung aus Mikroorganismen, der sogenannten Plastisphäre, bestimmt. Die Plastisphäre kann Mikroorganismen, Tiere und Pflanzen beherbergen, die ihrerseits als Nahrung für andere Organismen dienen aber auch schädigende Wirkung haben können. Auch das Entwicklungsstadium, das Geschlecht, der Gesundheitszustand oder die allgemeine Widerstandsfähigkeit eines Meereslebewesens prägen die möglichen Folgen einer Interaktion mit Kunststoffteilen. 

Die tatsächlichen Auswirkungen von Kunststoffen und den darin enthaltenen Chemikalien für den einzelnen Organismus können sehr unterschiedlich ausfallen. Forschende wiesen in Labor- und Felduntersuchungen sowohl geringfügige oder nur kurzweilige gesundheitliche Beeinträchtigung nach als auch schwerwiegende Verletzungen, Blockaden des Verdauungssystem, vermindertes Wachstum, Entwicklungs- und Fortpflanzungsstörungen, physiologische Veränderungen, Entzündungsreaktionen oder Organschäden bis hin zum Tod. Doch es gibt auch Studien, die keine negativen Folgen der Interaktion mit Kunststoff für das Lebewesen nachweisen konnten oder zeigten, dass sich Organismen an die erhöhte Standortbelastung angepasst haben.

Diese unterschiedlichen Ergebnisse lassen sich einerseits mit den bereits genannten Faktoren (siehe Infografik) und der damit einhergehenden Vielzahl an möglichen Interaktionsfolgen erklären. Andererseits wirken Kunststoffe und deren Zusatzstoffe auf mehreren biologischen Organisationsebenen – also von einzelnen Molekülen bis zu ganzen Ökosystemen. Das erschwert die Nachweisbarkeit und Vergleichbarkeit zwischen Studienergebnissen zusätzlich. Hinzu kommt die Tatsache das die Meere als Ökosystem an vielfacher Stelle unter Druck geraten (Temperatur- und pH-Wertänderungen, Einleiten von u.a. pharmakologisch wirksamen Stoffen u.v.m.). Demzufolge ist die Gesamtheit der Faktoren von hoher Relevanz und stellt Einzelfaktorenanalysen infrage.

Die Folgen der Plastikverschmutzung für Tiere und Pflanzen, marine Biodiversität und Meeresökosysteme sowie die Vielgestaltigkeit der Auswirkungen müssen daher weiterhin intensiv erforscht werden. Erst auf Basis gesicherter Erkenntnisse aus der deutschen und internationalen Meeresforschung lassen sich die ökologischen und ökonomischen Folgen der Kunststoffverschmutzung sicher einschätzen und durch politische Initiativen, technische Innovationen und internationale Gesetzgebung gezielt bewältigen. 

Gefahr auf allen Ebenen

Kunststoffe und ihre chemischen Zusatzstoffe können sich auf alle biologischen Organisationsebenen auswirken: von einzelnen Molekülen bis hin zum gesamten Ökosystem. Giftige Kunststoffbestandteile können die Aktivität wichtiger biologischer Moleküle, wie beispielsweise Enzyme, hemmen. Das wiederum beeinträchtigt direkt die Funktionsfähigkeit von Zellen und letztlich ganzen Organen. kunststoffbasierte Schadstoffe sowie die Kunststoffpartikel selbst können zu inneren und äußeren Verletzungen führen, das Verdauungssystem blockieren und Organschäden hervorrufen. Die daraus entstehenden gesundheitlichen Konsequenzen, wie verringertes Wachstum, Entzündungsreaktionen, eingeschränkte Fortpflanzungsfähigkeit bis hin zum Tod, bedrohen allerdings nicht nur ein einzelnes Individuum. Auch ganze Populationen bis hin zum gesamten Ökosystem können unter Kunststoffmüll und dessen Folgen leiden.

(1) Gudger, 1928 & 1929

(2) Eine umfassende Zusammenstellung des Ausmaßes der Interaktion zwischen Meereslebewesen und Kunststoffmüll in deutscher und englischer Sprache finden Sie hier: Tekman et al. (2022). Impacts of plastic pollution in the oceans on marine species, biodiversity and ecosystems. WWF Germany, Berlin. 221 pages. DOI: 10.5281/zenodo.5898684. www.wwf.de/plastic-biodiversity-report

(3) Galloway et al. (2017). Interactions of microplastic debris throughout the marine ecosystem. Nature Ecology & Evolution 1:0116. https://www.nature.com/articles/s41559-017-0116

(4) Ryan (2016) Ingestion of plastics by marine organisms. → link.springer.com/chapter/10.1007/698_2016_21

5. Die Folgen für Menschen und Wirtschaft

Die Meeresverschmutzung mit Kunststoffen hat nicht nur ökologisch zumeist negative Folgen – sie verursacht auch ökonomische Einbußen. Direkte Kosten entstehen, wenn mögliche Schäden verhindert werden sollen oder tatsächliche Schäden behoben werden müssen. Beispiele dafür sind Strandsäuberungen in touristischen Regionen oder die Instandsetzung von mit Geisternetzen blockierten Schiffsschrauben. 

Die Beseitigung von Kunststoffmüll an Küsten und im offenen Meer ist eine wahre Sisyphusarbeit: Sie ist sowohl kostspielig als auch zeitaufwändig und muss ständig wiederholt werden. Das liegt daran, dass kontinuierlich neue Mengen an Kunststoff entweder von Land oder dem Meer in die frisch gesäuberten Regionen verfrachtet werden. Diese Kosten erwachsen also immer wieder aufs Neue. 

Weitere direkte Kosten ergeben sich aus dem Verlust des Kunststoffmaterials selbst, wenn etwa Fischernetze oder Kunststoffpellets als Rohmaterial für die Kunststoffindustrie verloren gehen. In ärmeren Ländern ohne funktionierende Abfallwirtschaft verstopft Kunststoffmüll Flüsse und Kanalisation, was negative Folgen für den Verkehr und Hydrologie, Überschwemmungen und eine Zunahme von „waterborne diseases“ einschließlich Malaria verursachen kann.

Indirekte Kosten entstehen aus Produktions- oder Einkommensverlusten, beispielsweise wenn Fischerinnen und Fischer infolge der Meeresverschmutzung weniger oder qualitativ schlechteren Fisch fangen und es deshalb zu einem Preisverfall der Ware kommt. Auch sogenannte „Wohlfahrtskosten“ zählen zu den indirekten Kosten. Sie beinhalten etwa die von Kunststoffmüll verursachten Schäden für die menschliche Gesundheit oder den Verlust von Ökosystemleistungen. 

Eine genaue Berechnung der indirekten Kosten, die durch verminderte Ökosystemdienstleistungen aufgrund von Kunststoffverschmutzung entstehen, stellt eine große Herausforderung dar. Schätzungen zufolge verursacht jede Tonne Kunststoff in den Ozeanen Gewinneinbußen zwischen 3.300 und 33.000 US-Dollar.(1) Hochgerechnet auf die gesamte Menge an Kunststoffmüll in den Meeren würde sich ein jährlicher Verlust von 500 bis 2.500 Milliarden US-Dollar durch verringerte marine Ökosystemdienstleistungen ergeben.

Konsequenzen von Kunststoffmüll für die Ernährungssicherheit

Nach Angaben der Welternährungsbehörde decken weltweit mehr als 3,3 Milliarden Menschen mit dem Verzehr von Fisch mindestens ein Fünftel ihres Grundbedarfs an tierischen Eiweißen ab.(2) In ärmeren Ländern wie Bangladesch, Kambodscha, oder Gambia ist die Abhängigkeit von Fisch als Proteinquelle in der Regel noch größer. Fisch ist nicht nur eine wesentliche und erschwingliche Ernährungskomponente, sondern auch eine wichtige Einkommensquelle: bis zu 820 Millionen Menschen leben weltweit direkt oder indirekt von der Fischerei und Aquakultur.(3) 

Trotz der globalen Bedeutung lebender Meeresressourcen und der stetig wachsenden Menge an Kunststoffmüll in den Ozeanen ist noch nicht ausreichend verstanden, ob und in welchem Ausmaß Plastik im Meer die Ernährungssicherheit und die Lebensgrundlage von Millionen von Menschen gefährdet.

Wie viel Kunststoff ein Mensch versehentlich durch den Verzehr von mit Kunststoff belasteten Fischen oder Meeresfrüchten aufnimmt, ist bisher kaum untersucht worden. Das Verdauungssystem eines Tieres enthält wahrscheinlich die größten Mengen an Kunststoff-Partikeln. Die meisten Fische werden aber für den menschlichen Verzehr vorbereitet, indem der Magen-Darm-Trakt entfernt wird. Daher ist die Gefahr, die vom Konsum kontaminierter Meerestiere ausgeht, generell vermutlich kleiner als jene, die aus der alltäglichen Nutzung von Kunststoffutensilien in der Küche, oder dem Einatmen von Mikroplastik im Straßenverkehr oder am Meer resultiert.(4)

Dennoch können kleinere Kunststoffe zusammen mit den damit verbundenen Chemikalien und Umweltschadstoffen auch in die verzehrbaren Teile der Fische und Meeresfrüchte und letztlich auch in den Menschen gelangen. Das daraus resultierende Gesundheitsrisiko ist ebenfalls Gegenstand aktueller Forschung.(5) Die Erforschung des Ausmaßes und der Folgen einer Belastung mit Mikroplastik für den Menschen steht zwar noch am Anfang, allerdings wurden kleinste Kunststoffteile bereits im menschlichen Körper nachgewiesen. Forschende fanden Kunststoffteilchen unter anderem im menschlichen Verdauungstrakt, im Blut und in Blutgefäßen, der Lunge, Herz, der Plazenta und auch in Brustmilch. Laborversuche mit menschlichen Zelllinien legen Entzündungsreaktionen, zum Beispiel bei entzündlicher Darmerkrankung, Blutzellen, Hirnzellen, mit Reaktionen bis hin zum Zelltod nahe.(6) Neueste Forschungsergebnisse deuten zudem auf einen möglichen Zusammenhang zwischen Nanoplastik-Partikeln und Parkinson oder Demenz hin.(7) 

(1) Beaumont et al., 2019. Global ecological, social and economic impacts of marine plastic. Marine Pollution Bulletin, 142. DOI:10.1016/j.marpolbul.2019.03.022  

(2) FAO (2020). The State of World Fisheries and Aquaculture, 2020. Sustainability in action. Rome. https://www.fao.org/documents/card/en/c/ca9229en

(3) FAO, Duke University & WorldFish, 2023. Illuminating Hidden Harvests – The contributions of small-scale fisheries to sustainable development. Rome. https://doi.org/10.4060/cc4576en 

(4) Garrido Gamarro et al., 2020. Microplastics in Fish and Shellfish – A Threat to Seafood Safety? Journal of Aquatic Food Product Technology, Volume 29. https://doi.org/10.1080/10498850.2020.1739793 

(5) Bouwmester et al., 2015. Potential Health Impact of Environmentally Released Micro- and Nanoplastics in the Human Food Production Chain: Experiences from Nanotoxicology. Environmental Science&Technology. DOI: 10.1021/acs.est.5b01090 oder Alberghini et al. 2023. Microplastics in Fish and Fishery Products and Risks for Human Health: A Review. International Journal of Environmental Research and Public Health, 20(1). https://doi.org/10.3390/ijerph20010789 

(6) Landrigan et al., 2023. The Minderoo-Monaco Commission on Plastics and Human Health. Annals of Global Health 89(1):23. DOI: 10.5334/aogh.4056

(7) Liu et al., 2023. Anionic nanoplastic contaminants promote Parkinson’s disease–associated α-synuclein aggregation. Science Advances, Volume 9, Issue 46. https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.adi8716

6. Lösungsansätze für saubere Meere

Die Umweltverschmutzung mit Plastik ist ein globales, ständig weiter wachsendes Problem, das dringend gelöst werden muss. Das ist auch Politikerinnen und Politikern bewusst und auf höchster zwischenstaatlicher Ebene anerkannt - letzteres ist aufgrund der globalen Dimension sehr relevant. So verankerten beispielsweise die Vereinten Nationen saubere Ökosysteme an Land und im Meer in gleich mehreren ihrer Nachhaltigkeitsziele (engl. Sustainable Development Goals, SDG):

Problem erkannt, Problem gebannt? Noch nicht ganz. Aber es gibt Bewegung auf dem Gebiet. 175 Mitgliedsländer der Vereinten Nationen erarbeiten aktuell gemeinsam ein globales Plastikabkommen und auch auf EU-Ebene gibt es besonders im Bereich von Recycling und Wiederverwertung wichtige Ansätze. 

Das globale Plastikabkommen (Global Plastics Treaty)

Im März 2022 trat die UN-Umweltversammlung in Nairobi, Kenia, zusammen, um über die globale Plastikkrise zu diskutieren. 175 Nationen stimmten dabei für die Verabschiedung eines globalen Abkommens zur Bekämpfung der Plastikverschmutzung und einigten sich auf einen Zeitplan mit dem Ziel, dass ein Abkommen bereits Mitte der 2020er umgesetzt werden kann. 

Inhaltlich geht es darum, die Länder an einen strengen Standard für den Plastikverbrauch zu binden, der für alle gemeinsam gilt und so einen klaren Weg in eine Zukunft ohne Plastikverschmutzung weist. Die Idee ist, dass durch einen gemeinsamen Standard gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle geschaffen werden – und dies notwendige Anreize und Unterstützung für nationale Maßnahmen bietet.

Zur Eindämmung und künftigen Vermeidung von weiteren Kunststoffeinträgen in die Weltmeere müssen dabei alle Stufen des Kunststoff-Lebenszyklus und den darin involvierten Stakeholdern adressiert werden, von der Rohstoff-Gewinnung, über die Herstellung und Nutzung bis hin zur Entsorgung.

Ein oft zitiertes Positivbeispiel für so ein globales Umweltabkommen ist das Montrealer Protokoll zum Schutz der Ozonschicht. Seit der Einführung 1987 wurden durch einheitliche globale Verbote mehr als 99 Prozent der ozonabbauenden Stoffe aus dem Verkehr gezogen und die Ozonschicht auf einen allmählichen Weg der Erholung gebracht.

Stand der Verhandlungen

Was beinhaltet das globale Plastikabkommen und wie weit sind die Gespräche? Antworten auf diese und andere Fragen gibt es direkt auf der Seite des Intergovernmental Negotiating Committee on Plastic Pollution, auf Deutsch: dem zwischenstaatlichen Verhandlungsausschuss zur Plastikverschmutzung.

Zur UN-Seite

Recycling und Wiederverwertung von Plastik

Auch auf EU-Ebene gibt es Bewegung. Hier steht nach der Einwegkunststoffrichtlinie von 2019, die den Verkauf bestimmter Einweg-Plastikprodukte wie Plastikgeschirr oder Plastikstrohhalme untersagt, vor allem die Wiederverwertung von Plastik im Fokus - um zu verhindern, dass es in die Umwelt gelangt. Doch das Recycling ist nicht ganz einfach. 

Seit Beginn der industriellen Produktion von Kunststoffen werden diese zum überwiegenden Anteil aus nicht nachwachsenden Rohstoffen hergestellt. Laut Angaben der kunststofferzeugenden Unternehmen (Plastics Europe 2022) bestanden im Jahr 2021 über 90 Prozent aller Kunststoffprodukte aus fossilen Ressourcen wie Erdöl. Damit liegt der globale Anteil an Kunststoffen aus zirkulären oder bio-basierten Wertschöpfungsketten bei weniger als zehn Prozent. 

Einige Gründe für den geringen Anteil an Kunststoffen aus recycelten Kunststoffabfällen, sogenanntem Rezyklat, sind(2)

  • die erschwerte Wiederverwertbarkeit aufgrund der Vielfältigkeit in der stofflichen Zusammensetzung

  • der hohe Qualitätsverlust pro Wiederverwertungszyklus

  • die geringe Wirtschaftlichkeit (Primärkunststoff ist häufig günstiger als Rezyklat)

  • die erforderliche Zugabe von Primärkunststoff zum Recyclingmaterial

  • steigende Schadstoffbelastung in Produkten aus recycelten Kunststoffen.

Im Zuge des Green Deals wurde auf europäischer Ebene der Aktionsplan Kreislaufwirtschaft (Circular Economy Action Plan) erneuert. Er skizziert wichtige Voraussetzungen und mögliche Lösungsansätze(3). Notwendig ist:

  • ein rechtlicher Rahmen für eine nachhaltige Produktpolitik

  • zentrale Produktwertschöpfungsketten über verschiedene Sektoren und Industrien (Elektronik, Informations- und Kommunikationstechnologie, Batterien und Fahrzeuge, Verpackungen, Kunststoffe, Textilien, Bauindustrie, Lebensmittel, Wasser und Nährstoffe)

  • technologische Weiterentwicklung bestehender Recyclinganlagen, Müllsammelsysteme und (Vor-)Sortierungsanlagen

  • Pfandsysteme für hochwertige Kunststoffe, Fokus auf Mehrweg statt auf Einweg

  • Innovatives Produktdesign (zum Beispiel Dolly Ropes, siehe Infobox)

  • Design-for-Recycling, Anreize für die Verwendung hochwertiger und sortenreiner Kunststoffprodukte

Der Aktionsplan Kreislaufwirtschaft

Der neue Aktionsplan Kreislaufwirtschaft (Circular economy action plan, CEAP) soll Maßnahmen entlang des gesamten Lebenszyklus von Produkten beinhalten. Er zielt darauf ab, wie Produkte gestaltet werden, fördert die Kreislaufwirtschaft, ermutigt zu nachhaltigem Konsum und soll sicherstellen, dass Abfall vermieden wird und die verwendeten Ressourcen so lange wie möglich in der EU-Wirtschaft verbleiben. Fragen rund um den Aktionsplan Kreislaufwirtschaft und die Umsetzung werden auf folgender Seite thematisiert:

Zur Website des CEAP

Eine schnelle Lösung gibt es nicht und sie kann nur darin bestehen, das Problem an der Wurzel zu packen. Soll heißen: Der Einsatz von Plastik muss minimiert werden (besonders von Einwegplastik und Verpackungen) und bestehendes Plastik wiederzuverwerten. Es bedarf der Zusammenarbeit der internationalen Gemeinschaft dabei aber nicht nur auf Regierungsebenen, sondern auch in wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Bereichen. 

Weniger Plastik in der Fischerei - das Beispiel Dolly Ropes

So sehr die Herstellung von Kunststoffen den Fischerei- und Aquakultursektor vorangebracht hat, so sehr trägt sie seitdem auch zur Meeresverschmutzung bei. Schätzungsweise 17 bis 22 Prozent des Kunststoffmülls am Meeresboden oder in der Wassersäule im Meer werden der Fischerei und Aquakultur zugeschrieben(4). Der Sektor ist damit ein bedeutender Verursacher des im Meer treibenden Kunststoffmülls – er ist als Betroffener aber ebenfalls den negativen ökologischen und ökonomischen Auswirkungen von Mikro- und Makroplastikverschmutzung ausgesetzt. Es gibt deshalb Initiativen, den Plastikmüll aus dem Bereich durch Innovationen zu reduzieren. 

Ein Beispiel dafür sind die so genannten Dolly Ropes. Dabei handelt es sich um Fischereileinen, die aus vielen einzelnen orangenen oder blauen Kunststofffäden bestehen, und die als Scheuerschutz an Grundschleppnetzen befestigt sind. Sie beginnen allerdings bereits nach wenigen Tagen der Nutzung zu zerfasern und gelangen in die Umwelt. Am Boden und an den Stränden der Nordsee beispielsweise sind sie besonders häufig zu finden. 

Um eine Lösung für das Problem zu entwickeln, haben Fachleute aus der Fischerei und Forschende des Thünen-Instituts für Ostseefischerei zusammengearbeitet. Das Ergebnis: die Entwicklung eines Auftriebskörpers, mit dem auf den Einsatz von Dolly Ropes verzichtet werden kann. Zahlreiche deutsche Krabbenfischer machen bereits von dieser kostengünstigen und nachhaltigeren Alternative Gebrauch. 

Auftriebskörper statt Dolly Ropes

Auf der Website des Projekts “DRopS – Dolly Rope Suspension” des Thünen-Instituts für Ostseefischerei werden Idee, Vorgehen und Umsetzung bei der Entwicklung des Auftriebkörpers beschrieben. 

Zur Projektseite des Thünen-Instituts

Technische Ideen, den Müll im Meer zu beseitigen

Es gibt auch Ideen, den Müll aus dem Meer abzusammeln. Schwimmende Reinigungsgeräte (sogenannte Clean-Up-Geräte) können in begrenztem Ausmaß Kunststoffteile an der Wasseroberfläche einsammeln, allerdings handelt es sich dabei nur um die sprichwörtliche Spitze des Eisberges. Der an der Oberfläche treibende Kunststoffmüll ist nur ein Bruchteil der im Meer befindlichen Menge. Der weitaus größere Teil des Kunststoffmülls verbreitet sich in den darunter liegenden Wassermassen oder lagert sich am Meeresboden ab und kann nicht in großen Mengen geborgen werden. Zudem fangen die meisten Sammel-Technologien ungewollt Meeresorganismen mit ein, was ihren ökologischen Nutzen infrage stellt. Viele Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen fordern daher global geltende Kriterien zur Prüfung der Umweltverträglichkeit und Wirksamkeit solcher Technologien. Ferner sollen die Geräte nur zur Renaturierung von äußerst stark belasteten Lebensräumen zum Einsatz kommen und dürfen nicht zu Greenwashing führen. Das heißt: keine Plastik Offset Programme. 

In der Diskussion steht oft auch so genanntes Bio-Plastik. Dabei handelt es sich um bio-basierte und/oder biologisch abbaubare Kunststoffe. Bio-basiertes Plastik besteht zum Teil aus stärke- und zellulosereichen, pflanzlichen Inhaltsstoffen wie Mais oder Zuckerrohr, die jedoch nicht zwangsläufig biologisch abbaubar sind. Biologisch abbaubare Kunststoffe hingegen sind unter bestimmten Bedingungen in der Umwelt zersetzbar, und werden sowohl aus natürlichen (zum Beispiel aus Zellulose oder Stärke) als auch aus synthetischen, auf Erdöl basierenden Ausgangsstoffen hergestellt. Studien zufolge sind jedoch sowohl bio-basierte als auch biologisch-abbaubare Materialien ähnlich giftig wie herkömmliche, vollsynthetische Kunststoffe(5)

Eine kalifornische Studie zeigt außerdem klar, dass biobasierter Kunststoff und Textilien aus Kunststoffmischungen im Ozean nicht biologisch abbaubar sind(6). Neben der unzureichenden Abbaubarkeit ist außerdem die Ökobilanz der bisher existierenden Kunststoffalternativen aufgrund der verwendeten landwirtschaftlichen Rohstoffe nicht wesentlich besser als die konventioneller, voll-synthetischer Materialien.

Immer wieder tauchen in den Medien Berichte über den biologischen Abbau von Kunststoffen durch Insekten oder Bakterien auf. Diese Meldungen über „kunststoff-fressende“ Organismen basieren zwar in der Regel auf wissenschaftlichen Studien, dennoch ist die tatsächliche Anwendbarkeit dieses als Biodegradation bezeichneten Prozesses auf das globale Problem der Meeresverschmutzung mit Kunststoffmüll stark begrenzt. Häufig stammen die wissenschaftlichen Erkenntnisse aus Laborexperimenten, in denen nur einzelne Kunststoffpolymere hinsichtlich ihrer Zersetzung durch ganz bestimmte Organismenarten untersucht werden konnten. Dies spiegelt die natürlichen Bedingungen im Meer nicht ausreichend wider. Die Zersetzungsrate von Kunststoff durch Mikroorganismen ist außerdem sehr gering. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es daher keine Nachweise darüber, dass mikrobielle beziehungsweise organismische Zersetzung auch nur einen Bruchteil der weltweit angesammelten Kunststoffverschmutzung effizient beseitigen kann(7).

Selbst aktiv werden - Müllsammelaktionen und Aufklärung

Klar ist: Eine schnelle Lösung gibt es nicht. Verschiedenen Forschenden zufolge kann eine Verringerung der Kunststoffmengen im Meer zukünftig nur durch die Kombination verschiedener Lösungsansätze erreicht werden(8). Die Basis dabei ist immer: Die Kunststoffproduktion muss drastisch verringert werden, um die Umweltverschmutzung mit weiterem Kunststoffmüll einzudämmen. Selbst wenn der weitere Eintrag von Kunststoff in die Meeresumwelt von einem auf den anderen Tag gestoppt würde, stiege die Menge an kleinen Kunststoffteilen weiter an, denn der bereits im Meer befindliche Kunststoffmüll würde sich noch über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte hinweg zersetzen. Aus diesem Grund müssen weiter entstehende Kunststoffabfälle direkt an ihrer Quelle aufgefangen werden, also lange bevor sie in die Meeresumwelt gelangen. 

Klar ist auch: Solange es Staaten, Firmen und auch Privatpersonen wirtschaftliche Vorteile verschafft, Plastik zu verwenden (weil es so billig ist), wird sich das Problem weiter verschärfen. Deshalb sind politische Regelungen so wichtig. Doch bis es soweit ist, muss niemand die Hände in den Schoß legen. Auch wenn es wie ein Kampf gegen Windmühlen scheint - selbst wo immer möglich auf Plastik zu verzichten und an den regelmäßig stattfindenden Müllsammelaktionen von Städten und Gemeinden oder zivilgesellschaftlichen Organisationen teilzunehmen, hilft das Problem zumindest ein bisschen zu verringern und das Bewusstsein dafür zu vermitteln.

(1) siehe: https://plasticseurope.org/knowledge-hub/plastics-the-facts-2022/

(2) Carmona et al., 2023. A dataset of organic pollutants identified and quantified in recycled polyethylene pellets. Data in Brief, Volume 51, https://doi.org/10.1016/j.dib.2023.109740 und Almroth et al., 2023. Chemical simplification and tracking in plastics. Science Volume 382, Issue 6670. DOI: 10.1126/science.adk9846  

(3) siehe auch die Website des neuen Aktionsplans Kreislaufwirtschaft, eur-lex.europa.eu/resource.html oder https://environment.ec.europa.eu/strategy/circular-economy-action-plan_en#documents

(4) siehe: https://litterbase.awi.de/litter_graph, Müll in der Wassersäule und Müll am Meeresboden

(5) Zimmermann et al. (2020) Are bioplastics and plant-based materials safer than conventional plastics? In vitro toxicity and chemical composition. → https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0160412020320213

(6) https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0284681

(7) Lear et al. (2022) Microbial abilities to degrade global environmental plastic polymer waste are overstated. → https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1748-9326/ac59a7/meta

(8) Hohn et al., 2020. The long-term legacy of plastic mass production. Science of The Total Environment, Volume 746. https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0048969720346441?via%3Dihub sowie Borelle et al., 2020. Predicted growth in plastic waste exceeds efforts to mitigate plastic pollution. DOI: 10.1126/science.aba3656 und Lau et al. 2020, Evaluating scenarios toward zero plastic pollution. Beide Paper veröffentlicht in Science, Volume 369, Issue 6510, DOI: 10.1126/science.aba9475

 

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